Sie standen sich gegenüber, sie schauten sich in die Augen. Nichts trennte sie, außer das Zwinkern ihrer
Augen dann und wann. Sie mussten nicht sprechen, nichts sagen. Innerlich war jeder der beiden auf diese Begegnung vorbereitet gewesen, schon seit langer Zeit. Jeder der beiden hatte sich tausende Male diese Situation vorgestellt, war darauf gefasst, zum Äußersten bereit. Äußerlich wirkten beide ruhig, ausgeglichen, wie zwei sehr alte Freunde, die sich seit langer Zeit nicht gesehen hatten, sprachlos und starr vor Freude.
Beide waren hellwach, ihre Herzen klopften im gleichen, schnellen Rhythmus, ihre Muskeln, Sehnen und Nerven zum Reißen gespannt. Plötzlich stürzten sie aufeinander los, unerbittlich, erbarmungslos, fest entschlossen den Anderen auszulöschen, zu vernichten. Die erste Bewegung kam sehr schnell, sie ging an die Kehle. Bald wälzten sie sich auf dem Boden, keuchend, wortlos. Beide steckten ein, beide waren verbissen…sie merkten nicht, dass ihre Gewalttätigkeit ihrem Selbsthass entsprang, dem unbedingten Willen zu sterben. Natürlich hatten sie eine alte Rechnung zu begleichen, aber das war schon sehr lange her. Geblieben war der Hass, der jedoch viel älter war, als sie ahnten, dessen Ursprung viel tiefer lag, als eine alte Männerfeindschaft.
Doch das nur nebenbei; sie kämpften bis zum bitteren Ende – der Eine hatte seine Hände an die Kehle des Anderen gelegt – und drückte zu, langsam. Immer noch sprachen sie kein Wort. Immer noch blickten sie sich in die Augen. Der Druck auf die Kehle wurde immer fester; er spürte die Schwere seiner Hände, spürte, wie ihm die Luft knapp wurde, wie er schwächer wurde. Der Andere spürte das Schwinden des Widerstands, sah wie das Leuchten in seinen Augen dem Entsetzen wich, wie es dem Leuchten einer abgebrannten Kerze gleich verglomm.
Er sah, dass der Andere seinen letzten Hauch getan hatte, nicht mehr da war – doch eines blieb, und das begriff er nicht: sein Hass.
Autor: Slavek Kukielka, 8/2004
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