Politik am Theater

Am 9.12. wird im Milla (München) darüber diskutiert werden, was für ein Theater wir eigentlich haben. Damit es schön heiss und feucht wird, hat der Münchner Kültürke Tuncay Acar wieder ein paar warme Worte einfließen lassen. Da öffnen sich die Poren, die Tiefenreinigung kann beginnen.
von Tuncay Acar

Ich unterstelle dem hiesigen Kulturbetrieb, dass es bei der Nutzung der Begriffe und Phänomene "Migration", "Kulturelle Vielfalt" in Förderanträgen und Programmabläufen in der Regel nicht um die Phänomene an sich geht, sondern oft nur um ihren momentanen Hipnessfaktor, der durch ihre politische Relevanz und Präsenz gegeben ist.
Also erklärt man die Leid zur Tugend und nutzt die Gelegenheit dazu, mit eher ausgefallenen Inhalten (mit denen man sich ja wegen kulturpolitischen Vorgaben leider beschäftigen muss) etwas Leben ins verknöcherte Repertoire zu bringen.

Die Dringlichkeit liegt sozusagen nicht im Thema selbst, sondern darin, der inneren Leere der lokalen Hochkultur zu entfliehen, - im Rahmen eines gesellschaftspolitisch abgesicherten Manövers. Gleichzeitig aber, und das ist der wesentlich wichtigere Punkt, kann man dadurch die Erfolgsquote bei Förderanträgen alleine durch die Nennung dieser Begriffe prozentual um einiges erhöhen.

Das Thema an sich, also die relevanten Inhalte und der Umgang mit ihnen ist - Allah möge es ihnen verzeihen - im deutschen Kulturbetrieb oft nebensächlich. Und von Nachhaltigkeit keine Spur. Dies führt dazu, dass nach Jahrzehnten der Rede vom "Öffnen der Kulturbetriebe zur Gesellschaft hin" eher eine allgemeine Entwicklungsstagnation fortfährt.
 
>>Wir machen sehr wohl 
Politik<<

Erhebt man den Anspruch auf eine Spiegelung der heterogenen Gesellschaft im deutschen Kulturbetrieb, der in den gesellschafts- politischen Vorgaben bereits gefordert wird, redet sich mancheiner heraus mit dem Verweis auf einen hohen künstlerischen Anspruch, der dem kulturpolitischen Anspruch vorangestellt werde: "wir machen Hochkultur, nicht gesellschaftlich relevante Kulturpolitik" (Zitat eines Dramaturgen, der gerade bei den Kammerspielen ein Stück betreut). Dann muss man aber auch im Klartext sagen: "Wenn wir zu viele Migrationsvorderhintergründler, Moslems, Menschen mit dunkler Hautfarbe, Flüchtlinge, Asyltrallalla etc. in selbstbestimmter Art in die Strukturen des Kulturbetriebes eingreifen lassen, dann gefährden wir unseren hochkulturellen Anspruch zu sehr. Das können wir uns nicht erlauben".  Ich finde diese Haltung unverschämt!

Ausserdem muss man an dieser Stelle den VertreterInnen der grossen Deutschen Kulturinstitutionen klarmachen, dass sie sich auch in einem weiteren Punkt gewaltig irren. Denn wir machen alle sehr wohl Politik! Alleine die Verwendung des Begriffes 'Hochkultur' ist die Ausübung von Politik, denn es spiegelt eine politische Haltung wider. Jeder Schritt, den ihr macht ist Politik. welches Personal ihr einstellt, ist reine Politiksache. Deswegen redet man auch von Personalpolitik. Das leben ist Politik und auch das Theater ist es, auch euer nächster Gang zum Supermarkt - ob ihr es wollt oder nicht.
Es gibt nur einen Lebensbereich, der völlig apolitisch ist und das ist die institutionelle Politik selber!

Wer mir erzählen will, dass er keine Politik betreibt, wenn er aus weissen Darstellern, somalische Piraten werden lässt, indem er ihnen schwarze Strümpfe über den Kopf zieht und mir einen Satz vorher von der Transformation von Persönlichkeiten in Raum und Zeit mit Hilfe der Kraft des darstellenden Könnens erzählt, der muss sich auf eine Menge "Leiden und Lernen" gefasst machen.

Und da wären wir auch bei dieser komischen Aussage vom Herrn Kusej. Wem prophezeit er denn eine "Phase des Leidens" voraus? Wie meint er das denn? Muss ich auch mit ihnen leiden Herr Kusej, oder bevorzugen sie es lieber alleine zu leiden?

Ich glaube eher, dass bei dieser Diskussion weniger das Leiden im Vordergrund stehen sollte, als die Freude, die man dabei empfindet, wenn man endlich seinen inneren Egomanen überwindet und lernt zu teilen! Das muss nicht immer mit Schmerz verbunden sein.

In den meisten Regionen dieser Welt kennt man das Gefühl. Den Verantwortlichen in den führenden Münchner Kulturinstitutionen fällt das anscheinend sichtlich schwer, was schade für sie ist, denn die Zeit verzeiht nicht. Keiner kann sich auf seinen Lorbeeren ausruhen. Ich genauso wenig, wie sie meine Damen und Herren von der Leid-kultur. Ich stehe eher auf Freude und die werde ich wohl am 9.12. im milla haben. Schade, dass Herr Kusej nicht kommt.Gerne hätte ich ihn näher interviewt ob seiner Aussagen in seinem netten SZ-Interview.


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