Seitdem Herr Küppers Matthias Lilienthal als zukünftigen Intendanten der Münchner Kammerspiele ausgerufen hat, herrscht euphorische Aufbruchstimmung. Kaum ist die Berufung offiziell, twittert und posted die Kunstszene die Nachricht innerhalb weniger Minuten um die Welt und Unmengen an Fans beglückwünschen uns für das große Glück, sogar Ai Wei Wei und Marina Abramovic haben die Nachricht geliked; kein Scheiß!
Höchste Eisenbahn also den Mann abzuklopfen und nachzufragen, ob er nur Weißbrotgesichter glücklich machen möchte oder auch die restlichen 86% der Münchner Stadtbevölkerung.
Liebe Leserinnen und Leser, im Folgenden ist das exklusive Interview mit Matthias Lilienthal abgedruckt, der sich bereit erklärt hat aus Berlin über Libanon und Mannheim nach München zu reisen und einige Buchstaben und Worte sowie Sätze und Satzteile für das migrantenstadl aus dem Teig zu scheiden. Entstanden ist folgende Buchstabensuppe.
Matthias, den Ergebnissen meiner eigens initiierten Umfrage zufolge, bist du absolut kein Freund des Small-Talk. Du willst Dinge gebacken kriegen und baden gehen. Stimmt das?
Ja.
Ich verstehe. - Dann stelle ich sofort meine erste Frage: Du bist derzeit Leiter vom Theater der Welt in Mannheim. Was ist da so toll dran?
Dass man spannende Menschen aus aller Welt einladen kann und ihre Arbeiten hier gezeigt werden können. Rabih Mroué ist ein super Beispiel.
Wer ist das?
Das ist ein beeindruckender Künstler, der aus Beirut nach Mannheim aufs Festival Theater der Welt angereist ist. Sein Leben ist stark vom Krieg beeinflusst und er verarbeitet das auf eine ganz besondere Weise in seiner Kunst. In seiner Installation "Double Shooting" zum Beispiel zerlegt er eine Videosquenz in seine einzelnen Standbilder, die nun riesengroß auf der linken Haushälfte des Festivalzentrums hintereinander aufgestellt sind. Wenn man da zügig vorbeiläuft, befindet man sich mitten im Geschehen.
Und worum geht es da?
Es ist eine Art Re-Enactment. Das Video, um das es geht, ging über Youtube um die ganze Welt. Es zeigt den Tod eines syrischen Demonstranten, und zwar den Augenblick wie der Demonstrant seinen eigenen Tod filmt als er mit seiner Kamera den Blick des Schützen trifft. Just in dem Moment wird er erschossen und stürzt.
Wie hast du Rabih kennengelernt?
Rabih und ich arbeiten seit 2002 zusammen. 2012/2013 war ich ein Jahr lang als Professor am Ashkal Alwan in Beirut engagiert und habe dort viele Menschen kennen gelernt.
Das hört sich danach an, als könnte sich deine Connection in die arabische Welt auch auf München auswirken. Kann das sein?
Auf jeden Fall. Es wäre schön, wenn wir auch die Araber_innen aufmischen.
Gfoyt ma. [Gefällt mir]
Wie bitte?
War bayrisch. Egal. Andere Frage: Wie genau geht das eigentlich. dass ein Typ wie du ein Jahr lang Badeurlaub in Beirut macht, dann als Leiter des Theaterfestivals nach Mannheim kommt, um anschließend in Münchner Kammerspielen die Intendanz zu übernehmen? Habe ich was verpasst?
Weiß nicht. Ich glaube auf jeden Fall daran, dass du neben der Arbeit auch einen hedonistischen Ausgleich haben solltest, um dein Ding zu drehen, auch wenn dir mal der Arsch brennt. Du muss entspannt bleiben und nicht missionarisch durch die Welt rennen.
Du hast also keine Mission in München, sondern lässt alles passieren?
Der aktive Part ist die Auswahl.
Aha. Und gehören Stadtprojekte potentiell zu dieser Auswahl?
Unbedingt. Ich meine am HAU haben wir das ja auch gemacht. Als Migrationsfestival ist Beyond Belonging entstanden, das Shermin Langhoff und ich miteinander entwickelt haben. Das war am Anfang genau die Diskussion, die jetzt in München tobt: Ich bin ein Mensch mit Migrationshintergrund und jetzt werde ich aber instrumentalisiert, indem ich meine Geschichte erzähle. Das war 2005 ein unglaublich wichtiger und richtiger Schritt.
Das ist schön zu hören, weil unter Baumbauer gab es ja diese Stadtprojekte von die Björn Bicker und zuletzt das Munich Central, das unter der Leitung von Christine Umpfenbach und Malte Jelden eingeschlagen ist wie eine Bombe und vergleichsweise lange nachgehallt hat.
Solche Stadtprojekte wird es bei mir auf jeden Fall auch geben.
Gut. Sehr erfreulich. Dann können wir das Gespräch hier direkt beenden.
Eine letzte Frage hätte ich aber noch: Wie ist der Küppers eigentlich auf dich gekommen? Ich meine, wir befinden uns in München!? Was hat er sich nur dabei gedacht?
Tja, das weiß ich auch nicht.
Umso besser. Das bedeutet, kein Erwartungsdruck: wenn du kommst, werden wir also endlich die 238 leerstenden Häuser in München besetzen, alle Flüchtlinge in die Kammerspiele einquartieren, kostenlose Vietnamesisch-Kurse anbieten, die Migrantenquote ordentlich ausreizen und andere militantere Geschichten aushecken. Sehe ich das richtig?
Ich möchte das mal diplomatisch beantworten. Ich komme ja aus der in Kunstharz gegossene Westberliner Polit-Szene und war jetzt ein Jahr lang im Libanon. Das wird sicherlich alles in meine Arbeit hier miteinfließen.
Wenn das nicht mal konkrete Ansagen sind. Danke für das Gespräch, und Fortsetzung folgt.
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