Aktueller Bericht aus München, Teil III



es ist Juli geworden in München, die Tage sind lang und warm, mein Zimmer wird brütend heiß, ich fliehe ständig raus und radle quer durch die Stadt, oft am Residenztheater vorbei in die kühlen Säle der Stabi, kopiere dort aus dutzenden von gebundenen Zeitungen einzelne Seiten raus.

16 dicke Schinken, über 400 Tagesausgaben wälze ich diesmal durch. Danach setze ich mich in die Cafeteria im Untergeschoss. Seitdem sie renoviert haben, ist es richtig schön hässlich da unten, aber der sympathische Tellerwäscher stellt mir gerne mal ein Glas Leitungswasser zu meinem Kaffee. Deswegen geselle ich mich immer wieder gerne hin. Ich setze mich an die Theke und blättere meine Unterlagen durch, 150 Artikel zu den NSU-Morden aus dem Jahr 2011; man wirft den Familienangehörigen der Mordpfer vor, dass sie eisern schweigen, dass sie etwas wissen, aber es verheimlichen; statt Infos zu geben, würden die türkischen Witwen Minztee anbieten. Mit Geldbelohung versucht die Kripo Infos aus der türkischen Community zu locken, manchmal sind es 3000, dann wieder 300.000 Euro. Bis in die Türkei wird unter den Verwandten ermittelt, sogar ein getarnter Dönerladen wird eröffnet, um zu gucken, ob jemand Bedrohliches auftaucht; ein Verfassungschützer, der sich während des Mordes direkt am Tatort, in eben jenem Internetcafe befindet, erregt hingegen kaum Aufmerksamkeit, nur zwei Artikel dazu. Er habe eine Tüte mit einem schweren Gegenstand auf dem Schoss gehabt, soll ein Zeuge gesagt haben. Die Ermittlungen haben aber herausgefunden, dass der Verfassungsschutzbeamte sich im Internetcafe vermutlich nur einen runtergeholt hat. Dann steht da, dass die mangelnden Ermittlungsergebnisse darauf zurückzuführen sind, dass die Polizei einfach zu wenig über die Mentalität der ausländischen Bürger weiß. 
Auf einem Fahndungsfoto ist ein Typ abgedruckt, der ausssieht wie Bushido. Drunter wird zur Verdeutlichung nochmal erklärt, dass nach einem „südländischen Typen“ gefahndet wird. Passend dazu tauchen auch immer wieder dieselben Schlagwörter auf, Döner-Mörder, Soko Bosporus, Halbmond. Den treffendsten Satz finde ich schließlich in einem norddeutschen Abendblatt. Da steht:  

Wahrscheinlich handelt sich um zwei Täter. Sie sind Profis, werden möglicherweise extra aus       der Türkei eingeflogen für ihre Tat. 


Ich höre schon den Nachrichtensprecher wie in Falco's Jeannie in meinen Ohren. Das wäre bestimmt auch eine gute Textgrundlage für Haftbefehl. Mir fällt lauter Quatsch ein, trotzdem fühle ich mich deprimiert, ich gehe raus und radle die Schelling schnell runter bis zur Schleißheimer und am Löwenbräukeller rechts rein, in Richtung Landgericht. Es ist 13 Uhr, die zweite Hälfte des Verhandlungstages hat schon begonnen, ich sehe noch einige der Nebenkläger vor dem Eingang, sie rauchen, ich stelle mich an der Zuhörerzone an, es warten 4 weitere Personen und nach wenigen Minuten komme ich schon mit der nächsten fünfer Gruppe ins Gebäude, zuerst an der Gepäckkontrolle vorbei, ich zeige meinen Pass vor, gebe meine Tasche ab und nehme in den Gerichtssaal einen Stift und ein Stück Papier mit.


2 Kommentare:

  1. 2XRefrain
    Ayşe, quit livin' on dreams
    Ayşe, life is not what it seems
    Such a lonely little girl in a cold, cold Germany
    There's someone who needs you

    Part I
    Tokat Kopf ab Mortal Kombat Vollkontakt Alla Ong Bak
    Magnums und Uzis durchlöcherten den Döner oglum
    Und du liegst danach dort tot rum braune Morde Tagesordnung
    Amina kodum und Bushido ist wegen 16 Zeilen stärker in den Medien als der NSU-Prozess...
    ...
    ...




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  2. sehr cool! jemand hat die message verstanden...nur wer?

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