Vor wenigen Monaten lud der Ausländerbeirat in München unter der Leitung des Vorsitzenden Cumali Naz zur Podiumsdiskussion ein. Es ging um die Rolle der Medien im Integrationsprozess, um diskriminierende Berichterstattung und ausgrenzende Personalpolitik.
Die Bemühungen um die Integration in Deutschland sind seit Jahren voll im Gange: Es wird alphabetisiert, analysiert und ausgewiesen. Trotzdem lässt sich kein zufriedenstellender Inklusionsprozess erkennen. Warum das so ist, dem wollte man am Montag bei einer Veranstaltung in einem der prächtigsten Räume in München ein wenig näher kommen.
Im großen Sitzungssaal des Münchner Rathauses kamen der Ausländerbeirat, Medienexpert_innen sowie deutsche und migrantische Medienmacher_innen zusammen, um über die Bedeutung der Medien im Inklusionsprozess zu diskutieren.
Zunächst hielt Dr. Sabine Schiffer, Leiterin des Nürnberger Instituts für Medienverantwortung einen knappen und pointierten Vortrag über Medienmechansimen. Sie erklärte, wie die Berichterstattung dazu neigt Klischees und Streotypen zu bedienen und Probleme sehr vereinfacht darzustellen. Die Tatsache, dass bestimmte Teile der Realität herausgepickt und beleuchtet werden, führe zu fundamentalen Wahrnehmungsverzerrungen. „Die wenigsten Mediennutzer_innen begreifen Medienerscheinungen als solche, sondern setzen sie fälschlicherweise mit der Realität gleich“. Bestes Beispiel: Die mediale Diffamierung von Migranten, Arbeitslosen oder anderen Gruppen. Laut Schiffer konterkarieren derartige mediale Konstruktionen systematisch den Inklusionsprozess.
Die zierlich geformte Frau ist bundesweit unterwegs, um die Menschen für Medien und ihr Mechanismen zu sensibilisieren. Mit einer voluminösen Stimme spricht sie für mehr Medienverantwortung und dafür, dass Medienbildung als Grundpfeiler in den Bildungskanon aufgenommen werden muss. „Heranwachsende Menschen sollen ein Bewusstsein dafür bekommen, dass Medien nicht die Realität darstellen, sondern in erster Linie Konstrukte der jeweiligen Autor_innen sind“. Auf ihrem Tisch liegt ein Stapel ihrer aktuellen Publikation „Antisemitismus und Islamophobie“ (2009). Darin zeigt Schiffer die Gemeinsamkeiten der medialen Diffamierung der Juden damals und den Muslimen heute auf.
Im Publikum sitzen einige Wenige, überwiegend türkischstämmige Lokaljournalisten und eine handvoll junger Medieninteressierter mit Migrationshintergrund, unter ihnen einige ambitionierte Politikwissenschaftler_innen, die sich zur kommenden Ausländerbeiratswahl stellen werden.
Mit Skepsis lauschen sie dem nächsten Referenten zu. Es ist Gerhard Engel, ehemaliges Mitglied des BR-Rundfunkrates. In lockerer Stimmung erzählt er von seinem aktuellen Projekt, das er im Auftrag des BR durchführt. Es geht um „Migrant_innen in Deutschland und ihr Zugang zum deutschen Fernsehprogramm“. Der Mann mit fröhlicher Ausstrahlung zeigt die Fotos von dem Workshop: Menschen mit unterschiedlicher Migrationsgeschichte und verschiedenen Hautfarben, arbeiten kreativ zusammen und spinnen Ideen für ein „interkuturell ansprechendes“ Fernsehprogramm, weil BR- Redaktion auch ausländische Gebührenzahler ansprechen möchte.
Zusammen mit zwei Freunden sitzen wir hinter den Bänken des Sitzungssaals und hören gespannt zu. Wir alle mit Migrationshintergrund, alle über 30, wir alle in Deutschland geboren, hier studiert und nun erwerbstätig. Drei gebürtige Münchner Kindl. Sogar Lederhosen haben wir an, aber keine Wahlrecht. Und nun sollen wir uns Gedanken machen, welches Fernsehprogramm den Menschen mit Migrationshintergrund am besten gefällt? Kein einziger Mensch mit Migrationshintergrund ist im BR-Medienrat, Journalist_innen mit Migrationsgeschichte nur die Ausnahme, nur als Exoten in der Medienanstalt. Und das, obwohl 37% der Münchner Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben, wie der Stadtrat Hoffman an dem Abend stolz verkündet.
Ernstgenommen als Konsument und Gebührenzahler, aber ausgeschlossen als Produzent und Mitgestalter?, fragt man sich da unwillkürlich - als Angehörige der Migrantenkaste.
Auf dem Podium sitzen auch ein paar migrantische Medienmacher: Gründer von türkischen Hochglanzzeitschriften oder Ableger von Zeitungen aus der Heimat. Nacheinander präsentieren sie ihre Zeitungen. "Wir leisten qualifizierte Integrationsarbeit mit unseren Medien" lautet ihr Grundtenor. Sie produzieren ihre eigenen Medien, in ihrer eigenen Sprache, für ihre eigenen Landsleute. Womöglich werden auch sie irgendwann mal die deutsche Bevölkerung als potentiellen Konsumenten entdecken und dessen Programmvorstellungen abfragen. Ganz im Sinne der gegenseitigen Inklusion.
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