Buchempfehlung: Postkoloniale Politikwissenschaft

 

Liebe Freunde, es kommt nicht oft vor, aber hin und wieder, muss es sein: Ohne das Buch komplett gelesen zu haben, möchte ich das Buch POSTKOLONIALE POLITIKWISSENSCHAFT wärmstens empfehlen. Allein das Line-Up der Beitragenden lässt das Herz höher schlagen. //  Vor zwei Jahren hatte mich Bilgin Ayata auf die Publikation von Aram Ziai aufmerksam gemacht, - zu dem Zeitpunkt war es noch nicht publiziert, aber ich wusste bereits, dass Bilgin Ayata ihre Arbeit zur Postkolonialen Aufarbeitung des NSU-Komplexes darin veröffentlichen würde. (Einen Auszug daraus hatte sie freundlicherweise vorab in unserem Buch URTEILE zur Veröffentlichung freigegeben).  // Dieser Text ist ein zentraler Beitrag in der Auseinandersetzung mit dem NSU-Komplex, weil er den bisherigen Rahmen erweitert und neben den rassistischen Elementen des Sicherheitsappartes und des Verfassungsschutzes vor allen Dingen die verschiedenen Momente der "Aufklärungsphase" rekonstruiert, die zusammengenommen nicht anders als ein  Kontinuum des Verschweigens gelesen werden können. Ayata spricht in Bezug auf die Aufklärungsarbeit im NSU-Komplex daher von einem "Silencing the Present" (so lautet auch der Titel ihres Beitrages). Sie bezieht sich mit dem Titel auf die Arbeit des Historikers Rolph-Michel Trouillot (Silencing the Past, 1995), in dem Trouillot aufzeigt, dass und wie "die Haitianische Revolution (1791 -1804) - der erste erfolgreiche Sklavenaufstand der Welt - von der europäischen und internationalen Geschichtsschreibung konsequent verschiegen und damit übergangen wurde". Es geht also um jene Mechanismen der Macht, in der Geschichte produziert, geschrieben, konstruiert, erfunden oder verschwiegen wird. Ayata zeichnet diese Mechanismen für die Aufarbeitung des NSU-Komplexes nach und legt die verschiedenen Momente und Dimensionen auf. Nach der Lektüre ihres Beitrages kann man sich die gesamte Aufklärungsarbeit (und auch die eigenen Aktivitäten im Rahmen des NSU-Tribunals) noch mal Revue passieren lassen und möglicherweise die Dinge anders sehen. Weitere Gedanken dazu folgen noch (...) // In dem Buch POSTKOLONIALE POLITIKWISSENSCHAFT gibt noch 18 weitere Beiträge, die in 4 Themenblöcke unterteilt sind: Politische Theorie, Geschlechterverhältnisse, BRD und Internationale Politik. Unter dem Block BRD sind neben dem Text von Bilgin Ayata zum NSU ein Text über Arbeitsmigration- und Integrationspolitik aus Postkolonialer Perspektive von Kien Nghi Ha und ein Beitrag über postkoloniale Ansätze in der Debatte um Antimuslimischen Rassismus von Floris Biskamp. Beides hochaktuelle Themen, bei denen es sich sicherlich lohnt, zu hören, wie sich die Dinge aus postkoloniale Sicht zeigen. // Ich persönlich werde mir als nächstes den Beitrag von Claudia Brunner mit dem Titel "Gewalt weiter denken in der Kolonialität des Wissens" reinziehen. Da geht es - soweit ich das ersehen kann- um Gewaltbegriffe und -verständnisse in der Politikwissenschaft und um die sogenannte "epistemische Gewalt", einer der wohl grundlegendsten  Begriffe, die aus der postkolonialen Debatte hervorgegangen sind.// Es wäre schön, ihr besorgt euch das Buch (zugegeben es ist teuer, aber man kann es sich in der Staats- oder Unibib ausleihen, oder eben klauen, klauen geht immer), und dann können wir an dieser Stelle eine kleine interaktive Buchbesprechung führen. Das wäre wunderbar! //

 

Postkoloniale Politikwissenschaft

herausgegeben von Aram Ziai

Welche Relevanz hat die Perspektive der postkolonialen Studien für die Politikwissenschaft? Die Frage nach den Auswirkungen der Epoche des Kolonialismus lässt verschiedene Bereiche der Disziplin – darunter Politische Theorie, Geschlechterverhältnisse, Internationale Beziehungen und Politische Systeme – in einem neuen Licht erscheinen.
Die in diesem Band versammelten postkolonialen Analysen politischer Theorien, Institutionen und Prozesse, die sich auf empirischer und theoretischer Ebene bewegen, machen eurozentrische Strukturen und koloniale Argumentationsmuster in der Politikwissenschaft, in der Politikpraxis auf deutscher und internationaler Ebene sowie in postkolonialen Ländern sichtbar.


Mit Beiträgen von Aram Ziai, Siba Zatioula Grovogui, Ina Kerner, Claudia Brunner, Christine M- Klapeer, Rirhandu Mageza-Barthel, Christine Löw, Kien Nghi Ha, Floris Biskamp, Bilgin Ayata, Franziska Müller, Bettina Engels, Chandra-Milena Danielzik und Daniel Bendix, Sahlini Randeria,
Tanja Ernst, Joshua Kwesi Aikins, Mechthild Exo, María do Mar Castro Varela und Carolina Tamayo.

Print, 29,99 EUR
 9/2016, 408 Seiten kart.
ISBN 978-3-8376-3231-6

E-Book (PDF), 26,99 EUR 
8/2016, 408 Seiten
ISBN 978-3-8394-3231-0

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