von Imad Mustafa
'Integration', was sonst. Da
hatte Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschland, einen
gesetzlich verankerten muslimischen Feiertag gefordert. Und sofort waberte der
Begriff 'Integration' durch die Medien. Es ist immer wieder das bekannte
Muster: Wenn eine Debatte die in Deutschland lebenden Muslime betrifft, dann
landet man bei der Integration, egal ob es um Kopftücher geht, um Beschneidung
oder eben um einen muslimischen Feiertag.
Das Erstaunliche daran ist, dass
sowohl Befürworter als auch Gegner des Vorschlags sich dieses Begriffs
bedienen. Die einen, um die integrative Wirkung eines Feiertags hervorzuheben,
die anderen, um das Gegenteil zu beweisen. Eines bleibt aber beiden gemein: Sie
wollen mich und Millionen andere Deutsche, die irgendwie als muslimisch
markiert werden, für diese Gesellschaft kompatibel machen, die Ecken und Kanten
abschleifen, uns zurechtklopfen, damit wir nicht mehr so auffallen und endlich in
die Gesellschaft passen.
Auf diese Weise über Menschen zu
sprechen, die hier geboren und sozialisiert wurden, nervt nicht nur, es ist
diskriminierend. Stillschweigend wird unterstellt, dass sie anders, fremd und
vor allem eine latente Bedrohung für die Gesellschaftsordnung seien. Hinzu
kommt das altbekannte Muster, das den Integrationsbegriff in Deutschland nur
für nicht-weiße, meist muslimische Menschen reserviert hält. Dabei spielt es
keine Rolle, ob man in seinem persönlichen Alltag praktizierender Muslim ist
oder einen säkularen Lebensstil pflegt und Anhänger von deutschem Bier ist. Von
einem Amerikaner oder Holländer, der sich hier zu integrieren habe, habe ich hingegen
noch nie gehört.
Diese Art zu debattieren bevormundet,
sie schreibt Unterschiede fest und verkennt, dass es um Gleichstellung gehen
muss, nicht um Integration. Sie ignoriert zudem das Selbstverständnis vieler
hier geborener sowie eingewanderter Muslime als festem Bestandteil der
Bundesrepublik Deutschland. Auch das hat Kenan Kolat gemeint, als er seinen
Vorschlag der Öffentlichkeit unterbreitete und hinzufügte, dass ein Feiertag
„ein wichtiges Signal an die muslimische Bevölkerung“ sei. Die Intention aber,
eine Debatte um die Interessen von Muslimen anzustoßen, läuft ins Leere, wenn
stattdessen über Integration gesprochen wird. Plötzlich geht es um die Befindlichkeiten
einer bornierten, in Teilen islamophoben Gesellschaft, die nach Jahrzehnten
muslimischen Lebens und Einwanderung in Deutschland immer noch reflexartig in
Abwehrhaltung geht.
Dennoch geht Kolats Vorschlag am
Kern des zugrundeliegenden Problems vorbei. Denn die Einführung eines solchen
Feiertages würde nur Sinn ergeben, wenn der Islam endlich auch als
Religionsgemeinschaft anerkannt würde. Das hat Priorität, um die
strukturelle Ungleichheit, welcher Muslime unterworfen sind, zu beseitigen. Die
simple Einführung eines muslimischen Feiertages erscheint verlockend. Doch so
wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, stellt ein muslimscher Feiertag
Muslime nicht gleich.
Zudem bliebe die Frage nach den
Rechten anderer Religionsgemeinschaften in Deutschland offen. Sind sie weniger
wert, bloß weil sie zahlenmäßig weniger sind? Sicher nicht. Mittelfristig muss
sich deshalb die Einsicht durchsetzen, dass Deutschland ein
multikonfessionelles Einwanderungsland ist, das alle seine Bürger gleich
behandeln sollte. In den USA hat sich diese Erkenntnis schon lange
durchgesetzt. Dort gibt es kaum gesetzlich geregelte religiöse Feiertage.
Christen und Anhänger aller anderen Religionen müssen sich und ihre Kinder
jeweils von der Arbeit oder dem Schulbesuch freistellen lassen. Das scheint ein
vernünftiges und gangbares Konzept zu sein, das Deutschland gut zu Gesicht
stünde.
Vorher aber müsste sich die
Erkenntnis durchsetzen, dass gesellschaftlicher Frieden und Teilhabe nur durch die
Gleichstellung aller Gesellschaftsmitglieder möglich ist - und dass der
inflationär gebrauchte Begriff der 'Integration' dahin kommt, wo er hingehört:
Auf die Müllhalde der Geschichte.
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Der Beitrag erschien zuerst auf DRadio Kultur.
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Der Beitrag erschien zuerst auf DRadio Kultur.
Das staatliche Sandpapier schleift an allen, nicht nur an Muslimen. Der Unterschied ist graduell, nicht binär.
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