Illegaler


achtung! rief der bulle. das ist ein illegaler, der muss raus hier und hetzte hinter dem jungen mann her, einem verängstigtem asiaten. schließlich konnte er ihn packen, gegen die wand drücken und ihm ins gesicht brüllen.

teilnahmslos stand er daneben und schaute sich das schauspiel an. er wusste nicht, was er machen sollte. nur eines wusste er: was hier geschah, war nicht richtig. doch das bürgerliche leben hatte ihn abgestumpft, hatte ihn zum duckmäuser gemacht, der sich nicht traute, den mund aufzumachen gegen unrecht und unterdrückung.

er hatte ja etwas zu verlieren, endlich, nun da er „angekommen“ war im verschissenen mittelfeld der gesellschaft. da, wo jeder hin wollte, der mal anderen leuten kaffee serviert hatte.
 
einmal das ziel deiner sehnsüchte erreicht, vollzieht sich in dir eine leise metamorphose über monate und jahre hinweg, an deren ende du ein schatten deiner selbst bist. hochtragend heißt es dann, dass du ein verantwortungsvolles, respektables mitglied der gesellschaft bist, auf das man zählen könne.

mit anderen worten: die domestikation ist an ein ende gekommen: du fluchst nicht mehr öffentlich, du siezt und lässt siezen, gibst regelmäßig deine stimme ab, ziehst hemd und lederschuhe an, hast ´nen haufen schulden, die jetzt aber ok sind, da du sie für den hauskauf und die zwei autos aufgenommen hast.

du wirst nie mehr laut, denn autorität steckt jetzt in deinem habitus. kriege sind nun auch ok, denn sie dienen ja deiner eigenen sicherheit. auch drogen sind plötzlich nicht mehr gut, das war einmal, jetzt trägst du verantwortung. 

kurz: alles, was war, soll jetzt schlecht sein. alles, was war, soll nicht mehr zu dir gehören, denn du bist jetzt ein anderer. zum selbstbetrug kommt heuchelei: nicht nur weist du deine vergangenheit mit lang ausgestreckter hand von dir, nein! du verurteilst deine zeitgenossen, die so leben, wie du es noch vor kurzem getan hast. rümpfst die nase, wenn sich jemand ´nen dübel baut oder ´ne line zieht. 

wie erbärmlich er war erkannte er in diesem moment der untätigkeit nicht. auch nicht, dass er in doppelter hinsicht die kriterien dazu erfüllte, indem er nämlich nichts sagte oder tat und weil er sich in seiner jämmerlichen existenz gemütlich eingerichtet hatte, wähnend, dass er etwas zu verlieren hatte. 

tatsächlich bestand dieses etwas in einem schlecht bezahlten job, der ihm nicht mal spaß machte, einer nie zufriedenzustellenden frau, die in wahrheit nur noch als ventil für seine sexuellen gelüste herhalten musste und der aussicht in vielen jahren, wenn er alt und schwach war, sich zur ruhe setzen zu können, ohne weiter aufgefallen zu sein. 

welch zynismus! glücklich, wer sich dann noch selbst den arsch wird wischen können. aber egal: nicht anecken heißt die devise. bis an dein lebensende. 

während er so dastand und glotzte, wurde der arme asiate in handschellen gelegt und in einen zivilen wagen der kripo verfrachtet. aber auch das war für ihn nur ein kurzer reiz, eine art live-krimi mit gewohntem ausgang: die scheißbullen gewinnen. immer.

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