Konservative wollen
das Kopftuchverbot für Musliminnen im öffentlichen Dienst / Treffen würde
dieses in erster Linie 300 Religionslehrerinnen
Nach mehreren (allesamt männlichen) Landeshauptleuten aus
der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) meldete sich auch Außenminister
Sebastian Kurz zu Wort und forderte ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst. Der
Vorsitzende des Expertenrates für Integration, der auch in Deutschland sein
Wesen treibende Universitätsprofessor Heinz Faßmann legte nach und meinte,
gerade in Schulen dürften Staatsbedienstete keine religiösen Symbole tragen.
Kippa, Kreuz und Buddha-Statuen sind freilich tabu.
Wer die Debatte um den tobenden Kampf im Nahen Osten so
aufzieht und womöglich ernsthaft daran glaubt, mit kulturkämpferischen
Kleidungsvorschriften eine friedlichere Gesellschaft etablieren zu können, ist
der Wirklichkeit dermaßen entrückt, dass sich dafür das viel gescholtene Diktum
von der Parallelwelt vorzüglich eignet. Denn eines liegt doch auf der Hand: Die
IS-Terroristen verstehen sich aus Soldaten des Kalifats, (die freilich im
Westen so nicht genannt werden dürfen), die den von NATO, der Türkei und
Russland befeuerten Krieg im Nahen Osten in die Zentren tragen (was freilich so
nicht gesagt werden darf). Österreich als neutrales Land stellt in diesem Krieg
keine Soldaten, weshalb bisher auch keine terroristischen Attentate im Land
verübt wurden. Auch Spanien hat – das sei nur nebenbei erwähnt – seit dem
Rückzug seiner Soldaten aus den Kriegsgebieten der muslimischen Welt im Gefolge
der Anschläge auf die Vorortezüge in Madrid keinen Blutzoll mehr zu leisten.
Dieser sichtbare Zusammenhang zwischen Krieg im Nahen Osten und Afghanistan und
Terror in den Herkunftsländern der Drohnen und F-16-Jagdbomber muss der
herrschaftlichen Logik nach verschwiegen werden. Und weil sich in Österreich
trotz Nichtteilnahme namhafte Politiker doch irgendwie verpflichtet fühlen,
gegen den Feind – den Islam, die Muslime – etwas tun zu müssen, verbietet man
halt das Kopftuch. Vielleicht entsteht ja daraus soviel Hass bei einheimischen
oder gerade zugezogenen Muslimen, dass sich ein kleiner Vergeltungsschlag
ausgeht. Immerhin hat derselbe Sebastian Kurz ja bereits vor Jahresfrist mit
einem repressiven Islamgesetz der muslimischen Gemeinde allerlei
Zwangsmaßnahmen wie die staatliche Kodifizierung des Koran und das Verbot vom
Ausland bezahlter Prediger und Lehrer durchgesetzt, um Stimmung zu machen.
Der neue Vorstoß gegen das Kopftuch wird wohl, so er denn
umgesetzt wird, in erster Linie die 300 islamischen Religionslehrerinnen
treffen, die allesamt mit verdeckten Haaren zum Unterricht erscheinen. In
öffentlichen Ämtern sind Musliminnen ansonsten ohnedies selten und vor allem
nicht sichtbar. Der Sprecher der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Ibrahim
Olgun, beklagt den jüngsten ÖVP-Vorstoß als „anti-integrativ und
diskriminierend“. Selbiges hat sein Vorgänger schon zum Islamgesetz gesagt,
eine Kritik, die er politisch nicht überlebt hat. Und die zum Islam
konvertierte muslimische Frauenbeauftragte Carla Baghajati ruft den sozialen
Aspekt dieser geplanten Repressionsmaßnahme in Erinnerung, wenn sie ungewohnt
höhnisch meint, dass es wohl in Ordnung sei, wenn bosnische Putzfrauen in
besser gestellten Mittelklassehaushalten das Kopftuch trügen, höher
qualifizierte, in öffentlichen Ämtern tätige Musliminnen dieses in Zukunft
nicht mehr dürften.
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*Dieser Artikel erschien zuerst am 10. Januar 2017 im "neuen deutschland".
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