Antiterrorkampf auf österreichische Art

Konservative wollen das Kopftuchverbot für Musliminnen im öffentlichen Dienst / Treffen würde dieses in erster Linie 300 Religionslehrerinnen

Von Hannes Hofbauer, Wien*


Nach mehreren (allesamt männlichen) Landeshauptleuten aus der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) meldete sich auch Außenminister Sebastian Kurz zu Wort und forderte ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst. Der Vorsitzende des Expertenrates für Integration, der auch in Deutschland sein Wesen treibende Universitätsprofessor Heinz Faßmann legte nach und meinte, gerade in Schulen dürften Staatsbedienstete keine religiösen Symbole tragen. Kippa, Kreuz und Buddha-Statuen sind freilich tabu.
Den Hintergrund für derlei seltsames Gezerre um ein Kleidungsstück, das aus religiösen Gründen von Musliminnen und katholischen Nonnen, die im österreichischen Alpenraum häufig zu finden sind, getragen wird, bildet die Debatte um islamisch argumentierten Terror. In der Gedankenwelt eines durchschnittlichen ÖVP-Spitzenpolitikers (und nicht nur dieser) mag sich folgende Logik festgesetzt haben: Weil in Berlin und Istanbul Terroranschläge von IS-Aktivisten Menschenleben fordern, müssen zwischen Neusiedlersee und Bodensee muslimische Lehrerinnen und Magistratsbeamtinnen mit offenen Haaren zum Dienst erscheinen, ob sie diese wallend tragen oder kurz geschnitten, darüber dürfen sie selbst entscheiden. Die hier stark integrierte Muslimin, eine andere schafft es nicht in den österreichischen Staatsdienst, soll für die Untaten der IS-Kämpfer büßen.

Wer die Debatte um den tobenden Kampf im Nahen Osten so aufzieht und womöglich ernsthaft daran glaubt, mit kulturkämpferischen Kleidungsvorschriften eine friedlichere Gesellschaft etablieren zu können, ist der Wirklichkeit dermaßen entrückt, dass sich dafür das viel gescholtene Diktum von der Parallelwelt vorzüglich eignet. Denn eines liegt doch auf der Hand: Die IS-Terroristen verstehen sich aus Soldaten des Kalifats, (die freilich im Westen so nicht genannt werden dürfen), die den von NATO, der Türkei und Russland befeuerten Krieg im Nahen Osten in die Zentren tragen (was freilich so nicht gesagt werden darf). Österreich als neutrales Land stellt in diesem Krieg keine Soldaten, weshalb bisher auch keine terroristischen Attentate im Land verübt wurden. Auch Spanien hat – das sei nur nebenbei erwähnt – seit dem Rückzug seiner Soldaten aus den Kriegsgebieten der muslimischen Welt im Gefolge der Anschläge auf die Vorortezüge in Madrid keinen Blutzoll mehr zu leisten. Dieser sichtbare Zusammenhang zwischen Krieg im Nahen Osten und Afghanistan und Terror in den Herkunftsländern der Drohnen und F-16-Jagdbomber muss der herrschaftlichen Logik nach verschwiegen werden. Und weil sich in Österreich trotz Nichtteilnahme namhafte Politiker doch irgendwie verpflichtet fühlen, gegen den Feind – den Islam, die Muslime – etwas tun zu müssen, verbietet man halt das Kopftuch. Vielleicht entsteht ja daraus soviel Hass bei einheimischen oder gerade zugezogenen Muslimen, dass sich ein kleiner Vergeltungsschlag ausgeht. Immerhin hat derselbe Sebastian Kurz ja bereits vor Jahresfrist mit einem repressiven Islamgesetz der muslimischen Gemeinde allerlei Zwangsmaßnahmen wie die staatliche Kodifizierung des Koran und das Verbot vom Ausland bezahlter Prediger und Lehrer durchgesetzt, um Stimmung zu machen.

Der neue Vorstoß gegen das Kopftuch wird wohl, so er denn umgesetzt wird, in erster Linie die 300 islamischen Religionslehrerinnen treffen, die allesamt mit verdeckten Haaren zum Unterricht erscheinen. In öffentlichen Ämtern sind Musliminnen ansonsten ohnedies selten und vor allem nicht sichtbar. Der Sprecher der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Ibrahim Olgun, beklagt den jüngsten ÖVP-Vorstoß als „anti-integrativ und diskriminierend“. Selbiges hat sein Vorgänger schon zum Islamgesetz gesagt, eine Kritik, die er politisch nicht überlebt hat. Und die zum Islam konvertierte muslimische Frauenbeauftragte Carla Baghajati ruft den sozialen Aspekt dieser geplanten Repressionsmaßnahme in Erinnerung, wenn sie ungewohnt höhnisch meint, dass es wohl in Ordnung sei, wenn bosnische Putzfrauen in besser gestellten Mittelklassehaushalten das Kopftuch trügen, höher qualifizierte, in öffentlichen Ämtern tätige Musliminnen dieses in Zukunft nicht mehr dürften.


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*Dieser Artikel erschien zuerst am 10. Januar 2017 im "neuen deutschland". 

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