In eine bessere Zeit gelebt



Immerdar Gedanken vom Besseren, vom Vergangenen, vom Zukünftigen — wie wenig wir doch in der Gegenwart leben, wie wenig wir uns dessen bewusst sind; immerzu sind wir in einer anderen Zeit, einem anderen Raum, nie sind wir bei uns selbst. Vielleicht ist das unser größtes Problem?

Vielleicht ist dies auch nur ein Mechanismus, um die Wahrheit zu verdrängen, dem realen Elend nicht ins Auge sehen zu müssen — früher war alles besser, morgen ist ein neuer Tag, alles wohlbekannte Sprüche, die ablenken vom hier und heute, unserer Machtlosigkeit, Mittäterschaft, unserer Passivität, unserer Degradierung zu Submenschen, die nicht einmal die Freiheit besitzen eben dies einzusehen, weil sie sich selbst davon abhalten, wegbringen, sich flüchten ins schon Gewesene, in die Arme des Noch-Nicht-Seienden, das dadurch verklärt wird, an Reiz gewinnt, jedoch: wodurch unterscheidet sich der heutige Tag vom Gestern, wodurch wird sich das Morgen vom Heute unterscheiden? 

Ist es nicht etwa so, dass wir unsere Gegenwart reproduzieren, in die Zukunft projizieren, sie dadurch zwar leben, jedoch einen erträglichen Abstand zu ihr gewinnen, alles durch den Nebel der Zeit erleben, der uns Hoffnung gibt, uns daran hindert aufzugeben, obwohl wir in scheinbar unüberwindbaren Verhältnissen leben; dabei sind wir es, die die Welt gestalten!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen