Religiöse Extremisten




Mit Schlagstock, Helm und Wasserwerfer zur Prozession:

Religiöse Extremisten

Von Markus Omar Braun


Woran einer sein Herz hänge, dass sei als sein Gott zu betrachten, gibt uns Martin Luther zu bedenken. Darin ist er sich mit Ibn Taimiyyah, einem weithin bekannten islamischen Theologen aus der Zeit der Mongolenkriege, einig. Der deutsche Spießbürger macht aus der Berechenbarkeit seiner Rente gleichsam sein Idol, seine bevorzugte Lebensvorstellung ist die einer Beamtenkarriere. Daran hängt er, der typische Spießer, sein Herz.



Der Spießer: autoritär vom Charakter her

Daran appellierten auch die Nazis, denn in der Zeit der großen Krise, verschärft in Deutschland durch die ökonomischen Kriegsfolgen, drohte diese Zwangsvorstellung von menschlichem Leben für das ganze Deutschland endgültig zu zerbrechen. Die Frankfurter Schule, d.h. die Philosophen Horkheimer, Marcuse und Adorno, sprachen vom "Autoritären Charakter" statt vom "Spießbürger"; es bleibt jedoch eine Rede vom gleichen psychosozialen Phänomen. Festzuhalten bei allen Namen ist, dass der Begeisterung des Spießers für den Staat eine Rechnung zugrunde liegt, in welcher der jeweilige Bürger für seinen Gehorsam und sein Funktionieren eine gesicherte, berechenbare Existenz erwartet. Daran hängt er primär sein Herz; den Staat stellt er sich als Vermittler vor. Wenn heute "Sicherheits"politiker wie auch in den siebziger Jahren die "Terrorgefahr" beschwören, so auf rein manipulative Weise: Ihre eigenen Statistiken sagen ihnen doch ganz genau, dass "Terror" auf der Liste grundsätzlich vermeidbarer Lebensrisiken ganz hinten rangiert, für durchschnittliche Deutsche.


Die böse Allianz von Spießer und Demagoge

Der "Law-and-Order"-Politiker appelliert zwar an das Sicherheitsbedürfnis des Spießers, will es aber lediglich für sein eigenes, anders geartetes instrumentalisieren. Der Bürger denkt an seine eigene Sicherheit, der echte oder prospektive Staatsmann an die des Staates, klar doch! Letzteren Mann – oder auch Frau – stört dabei auch gar nicht so arg, wenn ein paar ganz braven Bürgern in der hetzerisch aufgeheizten Atmosphäre das Lebenslicht ausgeblasen wird. Wenn es durch Staatsorgane geschieht, versteht sich. Diese Toten werden umstandslos und sofort auch der Rechnung der Terroristen zugebucht, die sind ab ihrer Ernennung zu solchen nämlich einfach an allem schuld, auch den Opfern der Gegenseite. Eine Erinnerung an die siebziger Jahre täte einmal not und gut: Wieviel Bürger ohne Staatsnähe wurden eigentlich Opfer von Terroristen? Man landet ziemlich genau bei den Passagieren der "Landshut". Auf deutschen Straßen jedenfalls war der Bürger vor der RAF weit sicherer als vor deutscher Polizei und ihren Terrorkontrollen, rein statistisch und damit rein praktisch gesehen.


Paranoia ist gefährlich und schützt niemanden

Weggelogen wird diese schaurige Seite der ausgelebten Staats- und Gesellschaftsparanoia, der allgegenwärtige Polizist mit der schussfertigen Maschinenpistole in der Hand, mit der Behauptung, die wirklich harmlosen Bürger brauchten nichts zu befürchten. Falsch! Oder besser gesagt: das gilt gegenüber den Terroristen im wesentlichen auch, rein statistisch. Gescheiter Auto fahren und mehr Polizisten bei sinnvollen Kontrollen auf der Autobahn, das würde sich deutlich besser auf die deutsche Lebenserwartung auswirken, als das der Ausbau des "Sicherheitsstaates" je vermag. Umgekehrt produziert dieser ja unweigerlich neue Opfer, wenn einem nervösen Polizisten bei der Terroristenhatz gegenüber harmlosen Bürgern einmal wieder der Finger am Abzug ausrutscht.


Freiheitlich grundordentliches Observieren: fürs Volk?

Für den eher linken, liberalen Bürger gibt es die Lüge von der inneren Sicherheit auch anders. Diese Lüge ist sogar zum Namen einer Behördengruppe geworden: "Verfassungsschutz". Deren Freunde bei der Polizei heißen ehrlicher: "Staatsschutz". Uns wird vorgegaukelt, es gehe nur um unsere Freiheitsrechte, also den in Artikel 1 bis 20 des Grundgesetzes garantierten Verfassungskern, wenn dieselben durch die "Sachzwänge" des "Schützens" fröhlich eingeschränkt werden sollen. So war es in den Siebzigern beliebte Sitte, dem verdächtigen Kritiker (damals noch: west-)deutscher Zustände ein Bekenntnis zur "Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung" abzuverlangen. Damit war einfach gemeint, dass er gefälligst zu kapieren hatte, dass alles seinen Grund hatte und in Ordnung ging, wenn ihm seine Freiheiten von Ober-Demokraten beschnitten wurden. Denen nämlich war nicht zuzumuten, dass sie im Amt "mit dem Grundgesetz unter dem Arm" (Höcherl) herumlaufen sollten. Das hätte ja beim effizienten Regieren gestört!


Le roi est mort – vive l'état!

Wer so gern regiert, hat häufig sein Herz an die Macht und ihre heutige Organisationsform, den modernen Verwaltungsstaat, gehängt. Richtig gelesen: Verwaltungsstaat, nicht Rechtsstaat. Wenn nämlich die Macht, nicht der Bürger, im Mittelpunkt steht, wird aus dem Recht Staatsrecht und Verwaltungsrecht, reine Hilfsmittel reibungslosen Funktionierens der Staatsmaschine, der Machtausübung. Diese Fachleute der Macht wollen weniger die Verfassung und vor allem nicht die Bürgerrechte schützen, zuallerletzt Menschen-Rechte, also Rechte von einfachen Menschen, die keine Bürger sind. Sie berufen sich bloß auf diese als universelle Werte, um den Staat als Schutzinstanz zu heiligen und ins unwiderlegliche Recht zu setzen. Solche paranoiden Zwangscharaktere sind keine Spießer, vielmehr: Etatisten – Staatsanbeter. Auf französisch steht "état" für zugleich "Staat" und "Zustand", ganz wie das englische "state".


Ein schwacher Staat: die Hölle für Etatisten


Seine böse Apotheose findet der Etatismus im Faschismus. Der Faschismus, der Putsch als Dauerzustand, ist das andauernde Programm einer Staatsrettung durch Gewalt. Diese Gewalt richtet sich immer nach innen und, wenn der Faschismus imperialistisch auftritt, auch nach außen. Mit "grunddemokratischen" Sicherheitspolitikern in seelenverwandter paranoider Grundhaltung sieht der Faschist von vorne bis hinten nie Menschen und ihr Leben in Gefahr, sondern nur den Staat und seine Macht bedroht. Man konnte an Otto Schily die Moral und Charakter verderbende Wirkung der Macht und amtlicher Paranoia studieren; der einstige bürgerrechtsorientierte Anwalt mutierte als Innenminister zum schlagstockschwingenden Autor des "Otto-Katalogs", mit dem einmal wieder der Staat vor seinen Bürgern – nicht umgekehrt – geschützt werden sollte.


Ein Minister und seine Vorbilder

Minister Friedrich nun stellt sich ohne Scham in die Reihe innenpolitischer Kraftmeier der CDU, angefangen bei Trägt-das-Grundgesetz-nicht-immer-unter-dem-Arm-Höcherl über Strauss mit seinen Lorbeeren nicht nur der Spiegel-Affäre und seiner innigen Pinochet-Freundschaft. Stolz zitiert Friedrich auch noch Zimmermann als Beispiel für "Law and Order". Der Mann ist ja ein selten hässliches Beispiel für die Strausssche Haltung, dass manche Menschen einfach gleicher seien. Recht und Gesetz sollten ja, so Zimmermann, für ihn, den "Meineidbauern", "Old-Schwurhand" zumindest in Fragen des Eides vor Gericht etwas umgestrickt werden. Hatte er doch zu höherem Zweck, im Dienst der CSU gelogen!


Extremist im öffentlichen Dienst

Wer so wie Friedrich den Niedergang von Moral und Ethik, sofern er nur der eigenen Partei nutzt, als Beispiel für Liebe zu Recht und Gesetz lobt, dem sollten Menschen, denen an Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit irgendetwas gelegen ist, grundsätzlich nicht mehr über den Weg trauen. Dann beginnt er noch sein Amt damit, die Muslime erst einmal gründlich auszugrenzen, und versteht deren Abfuhr so, dass er dann damit weitermacht, sie stattdessen propagandistisch zu kriminalisieren. Spätestens da sollten Muslime und nicht nur Muslime, die noch alle Tassen im Schrank und ein natürliches Gefühl der Selbstachtung bewahrt haben, ihn durch Nichtachtung abstrafen. Die Frechheit des "Präventionsgipfels" besteht im Thema der Konferenz: die Muslime als nicht nur potentielles Sicherheitsrisiko. "Wir sehen Euch als kollektives Terrorproblem, also geht einmal in Euch!" Die CSU, wie sie leibt und lebt, immer schon versiert darin, Rassismus jeder Schattierung und staatliche Gewaltphantasien nicht den Faschisten zu überlassen!


Fort mit Haudraufs und Spionierern


Liebhaber staatlicher Gewaltausübung, Diktatur hin, Demokratie her, verdienen nur eines: Sie müssten endlich als die religiösen Extremisten des etatistischen Kultes, die sie sind, stigmatisiert und gründlich durch öffentliche Meinung und Wählervotum aus jedem öffentlichen Amt, und sei es dem des Dorfbürgermeisters, entfernt werden. Das hat nichts mit der Religion der von ihnen Regierten zu tun; hier ist die Religion solcher Regierenden, ihr bekennender Etatismus und ihre Verliebtheit in effiziente Macht- und Gewaltausübung das Problem. Die Praxis dieses Kultes schadet jeder Gesellschaft, und nicht erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen und das betreffende Land gar Opfer des Faschismus geworden ist. Diesen Kult und seine Gurus zu bekämpfen wäre ein schönes "Wehret den Anfängen!", auch für die lieben Antideutschen!

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