das Buch Allianzen, herausgegeben von Elisa Liepsch und Julian Warner, ist eines dieser Bücher, von dem anzunehmen ist, dass sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in den Regalen von Dramaturginnen, Künstlerinnen, Kuratorinnen sowie kritischen Kulturarbeiterinnen anzutreffen sein wird. "Allianz", vor einigen Jahren von Mark Terkessidis noch unter dem Begriff "Kollaboration" gefasst, wird in diesem Sammelband zwar nicht direkt als Lösungsformel beschrieben, aber als Bedingung für eine solidarische Kulturinstitution vorausgesetzt. Natürlich geht es in dem Sammelband um vielmehr als um bloße Allianzen zwischen dominanten und marginalisierten Perspektiven und Positionen: Es geht um Infragestellung der Dominanzkultur, die von verschiedenen Autor*innen umschrieben wird. Sehr anschaulich in dem Beitrag der Theatermacherin Anta Helene Recke. Darin erläutert sie am Beispiel einiger Theaterstücke, die sie an den Münchner Kammerspielen als Regie-Assistentin begleitete, wie sich Rassismus manifestiert, nämlich subtil, ohne ein direktes Motiv der Anfeindung, Agression oder Abwertung, sondern dadurch, dass bei der Produktion routinemässig Bilder und Figuren geschaffen werden, die zwar von einem weißen Publikum eindeutig und unproblematisch rezipiert werden, von einem schwarzen Publikum hingegen als irritierend und verletzend aufgefasst werden können. Ein wirklich erhellender Beitrag, der ohne anzuklagen, sachlich und klar analysiert und das Problem artikuliert. Ein weiterer zentrale Punkt, der für Verwirrung sorgt, wird in dem Beitrag von der Theatermacherin Simone Dede Ayivi genannt, nämlich die Tatsache, dass Internationalität gerne und gemeinhin mit Interkultur verwechselt oder letzteres gar absichtlich mit ersterem ersetzt wird. In diese Falle ist sicher schon jede x-beliebige Kunst- und Kultureinrichtung der Bundesrepublik gefallen. Während es hip ist International zu sein, erfordert ein Interkulturelles Programm den Austausch mit den verschiedenen Kulturen im eigenen Dunstkreis, - und ist daher eher mit harter Auseinandersetzung, Infragestellung eigener Privilegien und Routinen verbunden, und daher eher unbeliebt für die Glanz-und-Glamour-suchende Kunstwelt. Neben den vielen Beiträgen, die ausnahmslos alle lesenswert sind, sei an dieser Stelle noch den Text von Fannie Sosa erwähnt. Es handelt sich um einen Guide, also ein sehr hilfreichen Leitfaden für Veranstalter*innen aller Sparten, in dem die Autorin systematisch runterdekliniert, worauf bei der Einladung und Betreuung von Gästen aus anderen Teilen der Welt zu achten ist. Seien es kleine Gesten, Details, rassismussensibles Wissen über Hürden, mit denen Menschen aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft, Hautfarbe, Aussehen oder Lebensweise zu kämpfen haben. Es wäre definitiv ein Segen, würde dieser Guide, und mit ihm das gesamte Wissen in dem Sammelband sich ins Bewusstsein von Veranstalter*innen festsetzen.
Das Migrantenstadl empfiehlt das Buch zu kaufen und in die Praxis umzusetzen.
Allianzen
Kritische Praxis in weißen Institutionen
2018, Transcript Verlag
ISBN: 978-3-8394-4340-8
17,99 Euro
Inhaltsverzeichnis und Leseprobe sind auf der Transcript Seite, hier klicken, einsehbar.